Städte und Nationen haben eine Berufung und einen Auftrag von Gott!
Städte (und Nationen) haben in der Bibel eine (oft übersehene) wichtige Bedeutung für Gott als seine Bundespartner. So lesen wir zum Beispiel im Alten Testament:
“Doch nun spricht der Herr, der dich, Jakob, geschaffen hat und der dich, Israel, gebildet hat: »Hab keine Angst, ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du gehörst mir.” (Jes 43:1).
Und auch im Neuen Testament. Dort sagt Jeschua:
“Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Bethsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon (Chorazin, Bethseida, Tyrus und Sidon waren zur Zeit Jeschuas Städte in Israel) die Wunder geschehen wären, die in euch geschehen sind, so hätten sie längst in Sack und Asche Buße getan.” (Mt 11:21)
(Ausführliche Erläuterungen zu Städten und Nationen als Gottes Bundespartner findest Du in den Büchern von Pieter Bos, Martin Scott oder Alain Caron).
Städte (und Nationen) sind, wie die Natur und der einzelne Mensch, Geschöpfe Gottes mit individuellen Aufträgen und Berufungen. Wenn wir die Berufung einer Stadt oder einer Nation verstehen wollen, so müssen wir ihr einige Fragen stellen. Zum Beispiel diese: “Wieso bist du entstanden?” Oder: “Was ist über dir bei deiner Taufe (Gründung) ausgesprochen worden?” Wenn wir die Atmosphäre eines Ortes begreifen wollen, interessiert uns die Frage: “Was ist in dir gesagt oder getan worden, das dich zu dem hat werden lassen, die du heute bist?”
Um also der Berufung Wuppertals auf die Spur zu kommen, werden wir in die Vergangenheit gehen müssen …
Aus der Geschichte des Wuppertals:
Das Tal der Wupper wurde bereits ab dem siebten Jahrhundert von altgermanischen Stämmen besiedelt. Über viele Jahrhunderte war diese Gegend Grenz- und Durchgangsgebiet. Spärlich besiedelt und wirtschaftlich nicht besonders attraktiv. Zudem verarmten die Bauern zunehmend durch das hier im Mittelalter praktizierte Realteilungserbrecht. Die Höfe wurden über Generationen zu gleichen Teilen an die Kinder vererbt und so die Äcker und Parzellen kleiner und kleiner. Um zu überleben, waren die Bauern mehr und mehr auf einen Nebenerwerb angewiesen.
Vor diesem Hintergrund verlieh “am 29. April 1527 … Herzog Johann III. und Herzogin Maria von Jülich, Kleve und Berg den Barmern und Elberfeldern das Privileg der „Garnnahrung“, das heißt das Monopol zu bleichen und zu zwirnen, laut dem „nirgend in herzoglichen Landen gebleicht und gezwirnt werden“ durfte als in Barmen und Elberfeld.” (aus Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Garnnahrung)
Das Monopol der Garnherstellung und Verarbeitung führte dazu, dass sich in Elberfeld und Barmen das Tuch- und Bleichergewerbe als stetig wachsender Wirtschaftszweig etablierte. Ohne dieses Garnnahrungsprivileg von 1527 ist die weitere Entwicklung Elberfelds und Barmens (und der umliegenden Dörfer und Sprengel) nicht denkbar. Ja, es war geradezu eine paradigmatische Entscheidung, die Elberfelder und Barmer in dieser Form zu privilegieren. Sie hat die gesamte weitere Entwicklung der Region bis in die Gegenwart hinein geprägt.
Denn das Tuch- und Bleichergewerbe ließ in den folgenden zwei Jahrhunderten verschiedene andere Wirtschaftszweige in dieser Gegend entstehen beziehungsweise gab ihnen entscheidende Impulse (u.a. Chemieindustrie, eisenverarbeitende Industrie). Hinzu kam der Handel, der zu florieren begann. Die Bevölkerungszahl in den Dörfern Barmen und Elberfeld wuchs denn auch nach dem dreißigjährigen Krieg (1648) stetig an und explodierte förmlich mit Beginn der industriellen Revolution im anbrechenden 19ten Jahrhundert. In Barmen und Elberfeld wurden in diesem Zeitraum aus ca. 4.400 mehr als 82.000 Menschen – (in Worten: Zweiundachtzigtausend!).
Wer kam nach Barmen und Elberfeld? Was waren das für Menschen, die in das Tal der Wupper strömten?
Es waren überwiegend arme und mittellose Menschen, Arbeiter aus den umliegenden Gegenden, die hier um Lohn und Brot baten. Es hatte sich nämlich herumgesprochen, dass es im Wuppertal Arbeit gab. Die Menschen versprachen sich wirtschaftliche Versorgung für sich und ihre Familien.
Es liegt nahe – und die Geschichte hat es gezeigt – dass ein solches Bevölkerungswachstum nicht ohne soziale Probleme, Verwerfungen und Herausforderungen von statten geht.
Wikipedia sagt dazu: “Mitte des 19. Jahrhunderts waren Elberfeld und Barmen die höchstindustrialisierten Städte Deutschlands, die in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung spätere Wirtschaftszentren wie Köln, Düsseldorf oder das Ruhrgebiet deutlich in den Schatten stellten. Barmer Artikel, wie die zahlreichen textilen Kurzwaren wie Bänder, Kordeln und Besätze genannt wurden, beherrschten den Weltmarkt und machten Barmen in zahlreichen Ländern der Erde bekannt.
Weitere Zweige waren die Garn- und Knopfherstellung, mechanische Webereien, Färbereien und die chemische Industrie: Das Unternehmen Bayer wurde hier am 1. August 1863 von Friedrich Bayer und Johann Friedrich Weskott gegründet. Als „Barmer Teppichfabrik Vorwerk & Co“ begann in Barmen die Geschichte des Unternehmens Vorwerk. International bedeutend war auch die Klavierfabrik Ibach.
Dem Wachsen der Wirtschaft folgte ein erheblicher Anstieg der Bevölkerung, deren Zuwachs vor allem aus der zugewanderten Arbeiterschaft bestand. Zwischen 1830 und 1885 vervierfachte sich die Einwohnerschaft und Barmen wuchs wie das benachbarte Elberfeld, das eine ähnliche Entwicklung nahm, zur Großstadt. Durch die sprunghafte Industrialisierung traten im „deutschen Manchester“, wie Barmen und Elberfeld in Bezug auf die britische Industriestadt auch genannt wurde, die sozialen Probleme des Pauperismus zuerst auf. Dem daraufhin entstehenden bürgerlichen Engagement gegen diese sozialen Verwerfungen entstammt auch der Barmer Textilfabrikantensohn Friedrich Engels, der, die Probleme aus erster Hand kennend, mit seinem Weggefährten Karl Marx die als Marxismus bezeichnete Gesellschafts- und Wirtschaftstheorie entwickelte.” (https://de.wikipedia.org/wiki/Barmen)
Wer heute im Velotaxi mit einer kundigen Führung über die Nordbahntrasse chauffiert wird, kann entlang der gesamten Strecke Zeugnisse aus jener Zeit bestaunen: Fabrikgebäude über Fabrikgebäude, die alle von den Hoffnungen und Sehnsüchten der vielen tausend Arbeiter sprechen, die im Wuppertal ihr Glück suchten.
Vom Privileg zur Berufung
Die Entscheidung von 1527 (s.o.) hat den Bewohnern des Wuppertals die Tür für wirtschaftliche Versorgung und Ernährung geöffnet. Sie wurden privilegiert. Und mit dem Privileg war ein Auftrag verbunden: Viele zu ernähren. Das haben die unzähligen Arbeiter gespürt, die nach Elberfeld und Barmen strömten, um hier Lohn und Brot zu finden.
Wuppertal hat in den zurückliegenden Jahrhunderten ihre Berufung auf vielfältige Art versucht zu erfüllen: im Bereich der Wirtschaft, aber auch in den Bereichen Politik, Medien, Unterhaltung und Kunst, Bildung und Erziehung, Familie und Religion (die sieben Berge der Gesellschaft). Das ist ihr nicht immer gut gelungen. Denn es gehört zu den Berufungen Gottes dazu, dass der Feind versucht, diese zu verhindern. Hier setzt der Auftrag der Ekklesia an. Sie setzt sich dafür ein, dass Wuppertal in seine Berufung kommt und spricht ihr deshalb zu: